Die rot-grüne Landesregierung hat angekündigt, das Landesjagdgesetz noch vor der politischen Sommerpause zu überarbeiten.
Dazu hat der Deutsche Tierschutzbund, Landestierschutzverband NRW e. V., auf der Landespressekonferenz am 24. Juni 014 in Düsseldorf zusammen mit den Verbänden
Naturschutzbund NRW e. V. (NABU),
Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V.(BMT),
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland LV NRW e. V. (BUND),
Komitee gegen den Vogelmord e. V.,
Europäischer Tier- und Naturschutz e. V. (ETN),
animal public e. V. und PETA Deutschland e. V.
die Forderungen vorgestellt:
Resolution für ein ökologisches Jagdgesetz in NRW
Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien (2012-2017) wird ein "Paradigmenwechsel zur Nachhaltigkeit" bei der Jagd angekündigt. Zukünftig soll das Jagdrecht an ökologischen Prinzipien und dem Tierschutz ausgerichtet werden (Ökologisches Jagdgesetz).
Dieses Vorhaben wird von den unterzeichnenden Tier- und Naturschutzverbänden ausdrücklich unterstützt. Um diese Ziele zu erreichen, ist es unabdingbar, ein in seinen Grundzügen seit 1934 kaum geändertes Jagdrecht endlich an die Erfordernisse des Tier- und Naturschutzes anzupassen. Diese Notwendigkeit ergibt sich bereits aus der Verpflichtung des Landes durch die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung 2001. Seit Juli 2002 ist der Tierschutz zusätzlich als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Damit soll dem Gebot eines sittlich verantwortbaren Umgangs des Menschen mit dem Tier Rechnung getragen werden. Diese rechtlichen Änderungen sind auch Ausdruck dafür, dass Tiere von der Bevölkerung als Mitgeschöpfe geachtet werden. Damit hat sich gleichzeitig die Rechtfertigungsschwelle für die Tötung von Wirbeltieren im Rahmen der Jagdausübung erhöht. Diese gesellschaftliche und rechtliche Entwicklung zu Gunsten des Tierschutzes hat sich bisher völlig unzureichend im Bereich des Jagdwesens niedergeschlagen.
Jagdliche Eingriffe in Natur und Landschaft sind nur noch zu rechtfertigen, wenn unnötiges Leiden ausgeschlossen, eine sinnvolle Verwertung der getöteten Tiere nachgewiesen und eine Beeinträchtigung geschützter Arten und Lebensräume ausgeschlossen werden kann.
Die rechtlichen Spielräume des Landes, das Jagdrecht umfassend zu modernisieren, sind hinreichend vorhanden, nachdem im Rahmen der Föderalismusreform das Grundgesetz zum 01.09.2006 geändert wurde und das Jagdwesen nun unter die konkurrierende Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG fällt.
Wir begrüßen daher die Absicht der Regierungsparteien, das Jagdrecht in NRW zu novellieren und fordern sie auf, den angekündigten Paradigmenwechsel auch tatsächlich, nämlich anhand der nachfolgenden Kriterien der Tier- und Naturschutzverbände Nordrhein-Westfalens zu vollziehen.
1. Fallenjagd beenden!
Immer noch ist der Fang von Tieren mit Fallen in NRW erlaubt. Dabei gibt es keine mittels Fallen verfolgte Tierart, die aus vernünftigen Gründen gemäß § 1 Tierschutzgesetz getötet oder sinnvoll verwertet wird! Vielfach sind die Tiere, die in Totschlagfallen geraten nicht sofort tot und leiden über Stunden. Auch bei Lebendfallen geraten die gefangenen Wildtiere häufig in Todesangst, verletzen sich selbst oder sterben am Stress.
Daher fordern wir ein Verbot von Lebend- und Totschlagsfallen im Rahmen der Jagd!
2. Fütterungsverbot für jagdbare Arten!
Wilde Tierarten bedürfen keiner Fütterung. Vermeintliche Notzeiten sind Teil natürlicher Prozesse und insofern hinzunehmen. Die nutztierähnliche Behandlung von Wildtieren ("Hege") durch Jäger hat in der Vergangenheit zu negativen Auswirkungen in Ökosystemen und finanziellen Schäden in der Landwirtschaft geführt.
Insbesondere Kirrungen (Lockfütterungen) werden immer wieder missbraucht, um unnatürlich hohe Paarhuferdichten und damit mehr Jagdvergnügen zu erzielen. Luderplätze mit Fleischabfällen zum Anlocken von Wildschweinen oder Füchsen sind gefährliche Tierseuchenherde.
Daher fordern wir ein Verbot von Fütterungen aller Art im Rahmen der Jagd!
3. Haustierabschuss beenden!
Offiziell werden durchschnittlich etwa 10 000 Katzen pro Jahr in NRW durch Jäger getötet, weil sie angeblich wildern! Die höchsten Hauskatzendichten aber gibt es im Siedlungsbereich, wo keine Jagd stattfindet und gleichzeitig keine negativen Bestandstrends bei betroffenen Vogelarten bestehen. Die aus Tierschutzsicht problematischen "Streunerkatzenpopulationen" lassen sie sich nur durch Kastrationsprogramme reduzieren. Zahlreiche Gemeinden in NRW und die Landesregierung haben hierzu bereits geeignete Maßnahmen in die Wege geleitet. Zudem ist eine sichere Unterscheidung von Haus- und der streng geschützten Europäischen Wildkatze im Gelände genauso wenig möglich, wie die zwischen Hund und Wolf.
Daher fordern wir ein Verbot des Haustierabschusses!
4. Keine Ausbildung am lebenden Tier!
Die Jagdhundeausbildung am lebenden Tier, zum Beispiel im Schwarzwildgatter, in Schliefanlagen oder an flugunfähig gemachten Enten, ist mit dem Tierschutzgesetz (TierSchG), welches das Hetzen von Tieren auf andere Tiere verbietet, unvereinbar.
Zur Ausbildung von Jagdhunden beispielsweise für die Entenjagd werden unzählige Tiere, bislang völlig legal, regelrecht "verbraucht". Zuchtenten werden Schwungfedern ausgerissen oder auf andere Weise flugunfähig gemacht und versteckt; der Jagdhund wird darauf trainiert, diese Enten möglichst unversehrt zu apportieren. Eine tierquälerische Praxis, die mit einer langen Todesangst- und Leidensphase verbunden sein kann.
Daher fordern wir, die Jagdausbildung am lebenden Tier zu verbieten!
5. Baujagd beenden!
Die Baujagd stellt eine besonders problematische Form der Nachstellung dar, weil Tiere in ihrem Rückzugsort, nahezu ohne Fluchtchance und bei vorheriger, oft langer Stress- und Todesangstsituation mit Verletzungen, getötet werden. Hierbei werden Haustiere auf wilde Tiere gehetzt und in die Gefahr gebracht, verletzt oder getötet zu werden. Es gibt keine mittels Baujagd verfolgte Tierart, für die ein gemäß § 1 TierSchutzG vernünftiger Tötungsgrund besteht.
Daher fordern wir, das Baujagdverbot gesetzlich zu verankern!
6. Jagdzwang beenden!
Das Jagdgesetz ermöglicht bisher nur Privatpersonen unter strengen Auflagen und ausschließlich unter Bezug auf ethische Motive, sich vom Jagdzwang auf ihrem Eigentum befreien lassen zu können. Juristischen Personen wie bspw. Vereinen ist dies nicht möglich! Dieser Jagdzwang bzw. die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft bedeutet einen Eingriff in das nach Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht.
Jagd reguliert nicht! Wie bspw. die ungefähre Vervierfachung von Paarhuferbeständen in Deutschland seit den 1950ern aufzeigt, ist die Jagd als Mittel zur Verhinderung von sog. Wildschäden nicht geeignet. Dasselbe gilt für Tierseuchen: die Tollwut wurde erst durch Impfung ausgerottet, die Jagd auf den Fuchs hatte sich zuvor jahrzehntelang als wirkungslos erwiesen.
Daher fordern wir, dass jeder Eigentümer sein Grundstück aus ethischen oder fachlichen Gründen von der Jagd befreien lassen darf, ohne Anhörung und ohne Haftbarmachen für Zustände auf Nachbargrundstücken!
7. Keine Jagd mehr auf Schnepfe, Schwan, Dachs und Co!
Etwa 1,3 Mio. Tiere werden jährlich in NRW durch Jäger getötet, über 90 % davon ohne vernünftigen Grund gemäß § 1 Tierschutzgesetz, artenschutzwidrig bzw. ohne sinnvolle Verwertung! Hierzu zählen bspw. über 2000 Exemplare der in NRW gefährdeten Waldschnepfe und etwa 500 000 Ringeltauben, die zwecks Verscheuchung - sogar während der Brutzeit - geschossen werden! Tiere sollen zukünftig nur noch getötet werden dürfen, wenn diese tatsächlich sinnvoll verwertet werden können (Verzehr), nicht selten und nicht geschützt sind. So sind alle Arten der Roten Listen, des FFH-Anhangs IV sowie Vogelarten, deren Bejagung nach der Vogelschutzrichtlinie in Deutschland nicht zulässig ist, nicht in die Liste jagdbarer Arten aufzunehmen.
Wir fordern eine drastische Reduzierung der Liste der Jagdbaren Arten, u.a. um alle Rabenvögel und Marderarten, Ringeltaube, Waldschnepfe, Höckerschwan und Wildkatze!
8. Jagdzeiten verkürzen und harmonisieren!
Nach geltendem Recht kann die Jagd bisher insgesamt, aber auch auf einzelne Arten, ganzjährig ausgeübt werden, z.B. auf junge Füchse und Kaninchen. Diese Dauerjagdzeit führt zu erheblichen Beeinträchtigungen von geschützten Arten und Lebensräumen, v.a. während der Fortpflanzungs- und winterlichen Ruhezeiten. Lange Jagdzeiten erhöhen zudem vor allem im Wald die Wildschäden.
Wir fordern, die Jagdzeiten für alle jagdbaren Arten auf die Monate September bis Dezember zu konzentrieren!
9. Kein Aussetzen jagdbarer Tierarten!
Jedes Jahr werden unzählige gezüchtete Fasane und Enten von Jägern ausgesetzt, nur um sie nach einigen Wochen zu schießen. Die Tiere stammen häufig aus Massenzuchten und sind an ein Leben in der freien Natur nicht angepasst. Vielfach werden die nahezu zahmen Tiere bis zum Tag der Jagd gefüttert und dann von Boden hochgetrieben und erschossen. Diese Jagdpraxis ist mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar.
Wir fordern ein Ende des Aussetzens von jagdbaren Tierarten!
10. Beizjagd verbieten!
Die Jagd mit Beizvögeln entspricht einer Hetzjagd, bei der Tiere selbstständig das Wild jagen, ohne dass der Jäger Einfluss auf den Jagdverlauf nehmen kann. Infolge der natürlichen Grausamkeit des Tötungsgeschehens dürfen solche Jagdmethoden bereits aufgrund tierschutzethischer Überlegungen nicht durch den Menschen initiiert werden. Auch die Anbindehaltung über lange Zeiträume sowie die notwendige "Konditionierung" (Hungern lassen) der Vögel sind aus Tierschutzsicht weder begründbar noch verantwortbar. Nicht zuletzt aufgrund der ohnehin geringen praktischen Bedeutung im Rahmen der Jagdausübung ist die Beizjagd somit uneingeschränkt abzulehnen.
Wir fordern ein Verbot der Beizjagd!